Wieso „Rattlinger“?
Oder: Wie die Rattlinger zu ihrem Übernamen kamen.
In früheren Jahren war es „gang und gäbe“, Dorfbewohnern, die sich durch eine besondere Eigenart stark von den anderen unterschieden, zu ihrem bürgerlichen Namen einen Übernamen oder „Spitznamen“ anzuhängen. Oft kam die ganze Dorfgemeinschaft zu solchen Übernamen, wenn irgendein Umstand Veranlassung dazu bot. Mit der Zeit ging vielfach das Wissen um den ursprünglichen Sinn-Gehalt des Wortes verloren, der Name selber aber lebte fort. Da er Generationen hindurch nur mündlich weitergegeben wurde, entstand dabei leicht eine Sinn-Verschiebung.
Auch bei unserer „Ratte“ war eine solche Sinn-Verschiebung im Spiele. Denn nicht die Ratte – wie man annehmen müsste – verdanken die Rielasinger ihren Übernamen, sondern der rot-violett blühenden Kornrade, ehemals ein viel geschmähtes Unkraut in den Fruchtäckern der Rielasinger Landwirte. „Argrostemma Githago“ heißt das schöne Unkraut in der Botanik, „Kornrade“ ist sein schriftdeutscher Name und „Ratä“ nannte es ärgerlich der Landwirt in unserer Gegend, wenn es sich zwischen der Frucht gar breit machte, dass er seine liebe Not mit ihm hatte.
„De Rate usem Rogge jäte und de Rogge it verträte“
hieß es mancherorts bei den Landwirten. Es war schon eine Plage mit diesen „Ratten“. Eine Fruchtkapsel umschloss etwa 30-40 Samenkörner. „Ratä-Kugla“ sagen sie heute noch im Hohenzollerischen zu den schwarz-braunen Samenkügelchen der Kornrade. Besonders gedieh das Unkraut in Wintergetreide, in den leichten Böden unserer Hardtäcker. Da die Samen der Kornrade in Größe und Gewicht dem Weizenkorn ziemlich gleich waren, fielen nach dem dreschen Körner und Unkrautsamen ungeschieden miteinander in den Fruchtsack.
„Passed uf, d`Rielessinger Ratä kummed“
warnte man sich gegenseitig in Stein am Rhein auf dem Markt, wenn die Rielasinger mit ihrer Frucht dort anrückten, wo sie für ihre besonders vielen „Raten“ bekannt waren. Auf diese Weise entstand der Übername „d`Rielessinger Ratä“.
„Ihr Ratä-Büch“, schmetterten die Arlemer den Rielasingern bei den sonntäglichen Raufereien entgegen. Das hieß ungefähr: „Ihr habt ja mehr Raten wie Frucht in eurem Brot und damit in euren Bäuchen.“
Durch die verbesserten Methoden der Frucht- und Saatgutreinigung ist die Kornrade bei uns längst aus den Feldern verschwunden und mit ihr auch das Wissen um den ursprünglichen Sinn dieses Spottnamens.
Spätere Generationen haben daher das Schimpfwort „Ratä-Büch“ anders aufgefasst. Bis sich der Name „Ratte“ und „Rattlingen“ ab etwa 1922 in Narrenblättern und gelegentlichen Zeitungsberichten schriftlich zu fixieren begann, war die Sinnverschiebung längst vollzogen.
Zum Glück können sich einige Alt-Rielasinger daran erinnern, was ihnen ihre Väter und Großväter über das Entstehen des Namens „Rattlingen“ erzählten. Nun brauchen wir Rielasinger nicht mehr verschämt die Achseln zu zucken auf die Frage, warum wir denn ausgerechnet die Ratte, ein vermeidlich „hässliches“ Tier, in unserem Narrenschilde führen!
Aus der Festschrift 1962, Gertrud Streit
Chronik der Rielasinger Fastnacht
1665 erstmalige Erwähnung das am 11.11. der Nachtwächter, Schermuser, und
Trubehüter neu gewählt worden sind.
1670 Erste Erwähnung fastnächtlichen Treibens durch einen Brief des „Veit“ (Wirt)
Gnedinger (heute Hotel Krone) an den Konstanzer Bischof.
Ebenfalls Überliefert aus dieser Zeit ist der Brauch der „Wieberfasnet“ am
Aschermittwoch, wobei die Frauen von der Gemeinde mit Wein, Brot und Käse
bewirtet wurden.
1704 erstmalige Erwähnung des Martini-Brauchs, dass am 11.11. der
Gemeindevorsteher die männlichen Dorfbewohner im Löwen mit einem Trunk
Wein aus dem Rielasinger Rebberg bewirtet.
1819 amtliches Verbot über das Maskentragen und Fastnachtstreiben am
Fastnachtsonntag
1854 bei der Hochzeit von Lorenz Mayer (während der Fastnacht) kommen
„Masken“ in den Saal.
1862 „Maskenball“ im Löwen (Veranstaltet vom NV Arlen) eingeladen wurde vom
Narrencomitee (Rielasingen)
1872 Fastnachtsspiel vor der Krone: „Der Graf von Drachenfels“
1892 Fastnachtsspiel: „Wiessmann kämpft am Kilimandscharo“ mit 450 Spielern bei
knapp 1000 Einwohnern.
1893 Fastnachtsspiel: „Die Erstürmung der Düppeler Schanze“
1897 Fastnachtsspiel: „Internationales Sängerfest“, mit 20 Gesangvereinen.
1898 Fastnachtsspiel: „Irmengard und Hedwig“
1900 Fastnachtsspiel: „Prinz Eugen der edle Ritter“, oder „die Erstürmung der
Festung Belgrad“.
1905 Fastnachtsspiel: „Die Grundsteinlegung eines närrischen Volkstheaters“
1908 Fastnachtsspiel: „Zirkus Barnum“
ältestes noch vorhandenes Narrenblatt, (das Narrenblatt/Narrenzeitung gab es
bis 1958)
1910 Fastnachtsspiel: „Die Schlacht am Isleberg“ und „Andreas Hofers
Gefangennahme und Ende“
Hiervon wurden 2 Akte am Rebberg, die anderen auf einer großen Bühne im
Dorf (Anwesen Bäckerei Braunbart) gespielt.
1928 Vereinsgründung: „Narrenverein Burg Rosenegg“
Fastnachtsumzug „Einst und jetzt“ am Fastnachtssonntag der wegen des
großen Erfolges am Fastnachtsmontag auch in Singen und am
Fastnachtsdienstag in Ramsen (Schweiz) durchgeführt wurde.
1937 Narrenumzug Motto: „Völkertreffen“ anlässlich der „Muß-Ehe“ (1936) zwischen
der Gemeinde Rielasingen und der bis dahin selbstständigen Gemeinde Arlen
1949 der 1. Narrenbaum nach dem Krieg wird gestellt.
1956 Fastnachtsspiel „Zirkus Schlammschlucker“, wg. Kälte und Nässe in die
Rosenegghalle verlegt.
1957 Neugründung: Rattlinger Narrenverein „Burg Rosengg“ 1862 e.V.
Fasnachtsspiel "Fiskus gegen Steuerzahler"auf dem alten Sportplatz
Am 11.11. findet die Martini-Sitzung zur Fastnachtseröffnung zum ersten male
im Berggasthaus „Burg Rosenegg“ statt
1958 erste „Rattlinger-Narrenspiele“ in der Rosenegghalle
1962 Narrentreffen anlässlich „100 Jahre Fasnet in Rielasingen“
1976 erstes „Martini-Freilichtspiel“ am 11.11. um 11:11Uhr auf Burg Rosenegg
1981 Narrentreffen in Rielasingen
1983 Einweihung Narrenkeller in der Bürgerschule
1991 findet wegen des Golfkrieges keine Fastnacht statt
1998 der Narrenbaum wird zum ersten male am Narrenplatz vor der Kirche
aufgestellt
2006 am 1.April beginnen die Arbeiten zum „Narrenschopf“ im ehem.
Baumwollager
2009 Nach erfolgreichem Umbau wird im September der Narrenschopf mit einem
Tag der offenen Tür der Bevölkerung vorgestellt.
2012 150 Jahre Rattlinger Narrenverein mit großem Narrentreffen 27.-29.01.2012
in Rielasingen.